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i-ethikCafé: Zukunft des Wirtschaftens in Coronazeiten?

Rezession und Depression sind angesichts der Pandemie in aller Munde. Wie reagieren ein Internationales Unternehmen und ein KMU auf diese Herausforderung? Wie sehen sie das Wirtschaften in der Zukunft?

Beim zweiten Internet-ethikCafé von «ethik22» am 6. Mai 2020 mit über 30 Teilnehmenden aus der Schweiz, USA und Deutschland stand das Wirtschaften angesichts der Pandemie im Zentrum. Der Journalist und Ökonom Markus Mugglin, Thomas Schmuckli, Verwaltungsratspräsident der Bossard-Group, und Xaver von Atzigen, Miteigentümer der Von-Atzigen-AG, erklärten im Gespräch wie sie die Herausforderungen für das Wirtschaften nach der Krise sehen.

Im Jetzt

In der Einleitung zum ethikCafé erläuterte Markus Mugglin, allgemein werde im Moment davon ausgegangen, dass die Schweizer Wirtschaft im laufenden Jahr um knapp 7% einbrechen wird. In der EU werden es über 7% sein und in den USA knapp 8%. Viele rechnen aber damit, dass der Verlust im nächsten Jahr bereits wieder wettgemacht werden kann. Diese Prognosen – so Mugglin - sind aber nicht besonders sinnvoll, denn sie sind ungenau und erwecken den Eindruck, man wisse, wie es kommt. Wichtiger ist es, verschiedene Szenarien zu entwerfen und entsprechende Werkzeuge in Planung zu haben. Wie es weitergeht - so Mugglin -, ist schwierig zu sagen, und Prognosen sind ungenau.


Auch Thomas Schmuckli weiss als Verwaltungsratspräsident einer grossen internationalen Firma nicht, wie es weitergeht. Das erste Quartal des aktuellen Jahres lief trotz Beginn der Pandemien in Asien gut und auch das zweite Quartal schloss besser als befürchtet. Dazu trug auch bei, dass es Aufträge aus Branchen gab, die jetzt unter Hochdruck arbeiten wie z.B. Pharma oder Hersteller medizinischer Geräte. Es besteht Hoffnung, dass diese Zunahme die Verluste wettmachen kann, doch es gilt – so Schmuckli – auch mit einem erneuten Verlust Ende Jahr zu rechnen. Dabei ist für ihn wichtig, dass genug Geld vorhanden ist, um das Tief zu überwinden und Löhne bezahlen zu können.


Xaver von Atzigen und seine Firma, die als kleine Unternehmung vor allem in der Schweiz wirtschaftet, sind darauf angewiesen, dass Kunden weiterhin Bestellungen vornehmen können. Dank einer gewissen Breite des Angebots konnten sie – so von Atzigen – Arbeiten in verschiedenen Bereichen ausführen, bzw. verlagern und mussten deshalb keine Kurzarbeit anmelden. Dazu gehörten etwa Unterhalts- und Reparaturarbeiten.


Nach der Krise

Aufmerksam folgten über 30 Gäste dem Gespräch und konnten sich in Kleingruppe wie Plenum einbringen. So erinnerte ein Gast an die zentrale Bedeutung des Konsums nach dem Ende der Pandemie. Nur eine Zunahme des Konsums könne eine Depression verhindern. Dazu brauchen die Menschen Vertrauen in ihre finanzielle Zukunft. Gleichzeitig gilt es die wirtschaftlichen Tätigkeiten mit Vorsicht heraufzufahren, damit es nicht zu einer zweiten Welle der Pandemie kommt.

Mugglin verwies hier auf die verschiedenen Stützungsprogramme. In der ersten Phase ging es darum, den Kollaps zu verhindern. Kurzarbeit und die Arbeitslosenversicherung waren dabei für die Schweiz sehr wertvoll. Staaten mit einem schwach ausgebauten Sozialsystem wie etwa die USA werden da viel stärker getroffen. Doch es gilt jetzt auch, über die kurzfristigen Rettungsmassnahmen hinauszudenken. So äusserte Markus Mugglin dass es eine grosse Chance bedeutet, wenn die Wirtschaftsankurbelung in der zweiten Phase mit dem Klimaschutz verbunden wird.


Zukunft der Globalisierung

Das Publikum war sich einig, dass wir die Art der bisherigen Globalisierung überdenken müssen. Dazu gehören etwa weniger Konsum und das Fördern lokaler Produktion. Xaver von Atzigen berichtete, dass sich das durchaus lohnen kann, und erzählte, wie die Produktionshalle ihrer Firma aus regionalem Holz gebaut wurde, und dies Kunden immer wieder beeindrucke.


„Es ist unvorstellbar das Rad der Globalisierung zurückdrehen zu können,“ sagte Thomas Schmuckli. Produktion wie Lieferketten sind global. So beliefert Bossard die Autoindustrie mit Schrauben – sowohl für Verbrennungsmotoren wie auch für Elektroautos. Die Batterien werden in den USA und die Elektronik in Asien hergestellt. Das wird sich nicht bald ändern. Globalisierung kann auch wertvoll sein. So konnte Bossard, obwohl die Lombardei als Zentrum der Schraubenproduktion lahmgelegt war, die Liefersicherheit aufrechterhalten, weil die Wege da waren, in Asien zu beziehen. Wie für eine KMU ist also auch für ein internationales Unternehmen eine Vielfalt von Standbeinen wichtig.


Auf einen anderen Punkt wies Markus Mugglin hin, wenn er an die Näherinnen in Bangladesch

erinnert, die auch auf ein Einkommen angewiesen sind. Da ist es nicht nur positiv, wenn man nur noch lokal produziert. Was es hingegen braucht, ist die Einschränkung einer aus dem Ruder gelaufenen Hyperglobalisierung und das Bremsen des Casinokapitalismus.


Auch hier braucht es Augenmass, wie ein Gast aus dem Publikum meinte. Denn das Wachstum darf nicht zu schnell gebremst werden, könnte dies doch sonst in eine Wirtschaftskrise führen, welche eben auch Rechtspopulisten stärke und damit zu einer Gefahr für die Demokratie werden könne. Mehrere Gäste verwiesen in diesem Zusammenhang auf die Konzernverantwortungsinitiative, welche einen guten Rahmen für eine nachhaltige Globalisierung schaffen würde.


Aber auch die Idee des Grundeinkommens zur Bewältigung dieser oder künftiger Krisen tauchte in den Gruppengesprächen auf. Der Volkswirtschaftler Mugglin steht dieser Idee skeptisch gegenüber. Für ihn ist Lohnarbeit als Integration in die Gesellschaft wichtig. Darum spricht er lieber von Grundsicherung. Diese umfasst ein starkes Sozialsystem und eine gute Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen. So wissen die Menschen, dass sie im Notfall gut abgesichert sind.

Schlussfolgerung

„Im Moment habe ich die Sorge, ob wir alle Geld in der Tasche haben, um ausgehen zu können, eine Pizza zu essen und die Grundbedürfnisse zu bezahlen," brachte Thomas Schmuckli sein Befinden auf den Punkt. Wirtschaft und Globalisierung sind wichtig, aber Hyperglobalisierung und Hyper-Konsumverhalten wie auch das Ignorieren der Klimafrage um des Profits willen sind schädlich. Wichtig ist also, so Schmuckli, dass wir in der Lage sind, das System in Frage zu stellen und es mit Vernunft neu zu dimensionieren. So dürfen die Geschwindigkeit und Menge der Produktion hinterfragt werden. Aber auch die Sicherheit von Lieferketten muss Thema werden wie die Notwendigkeit von mehr Unabhängigkeit ohne gleichzeitige Abschottung. Dem pflichtete Xaver von Atzigen aus Sicht einer KMU bei und sagte: "Das Thema kann niemanden unbeteiligt lassen, denn wir alle sind betroffen. Wir müssen weiter wirtschaften. Aber es kann nicht sein, dass egal ist, wie unsere Produkte erwirtschaftet werden.“

Die Bedrohung durch die Covid-19 Pandemie mag eine kurzfristige sein, doch sie fordert uns, die langfristigen Bedrohungen und globalen menschlichen Bedürfnisse in den Blick zu nehmen und Antworten zu finden: Klimakrise, Lebensqualität (Zeit für Familie, Innehalten), Arbeitswelt (Flexibilisierung), Aufbau einer Grundsicherung (gesicherte Grundbedürfnisse, Integration in die Gesellschaft und soziale Unterstützung von der Gesundheitsversorgung bis zur Sicherung der Arbeit für alle). Dabei gilt es sowohl lokal wie global zu denken, um gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen – womit einmal mehr die Konzernverantwortungsinitiative angesprochen wurde. Zurückgehen geht nicht. Das war den Teilnehmenden des ethikCafés klar. Es gilt viel mehr nach vorne zu schauen, aus dieser kurzfristigen Krise zu lernen, um auf langfristige Krisen reagieren zu können. Daran erinnerte auch Markus Mugglin: "Die Genesung von dieser Krise ist nicht etwas, das schnell geschehen wird, es ist ein langfristiger Prozess."

Zum Schluss des ethikCafés bemerkte Thomas Wallimann, Leiter «ethik22», wie die Grundsicherung des menschlichen Lebens – hier und auf der ganzen Welt – als Leitwert mehrfach erwähnt wurde. Er schloss dieses zweite online ethikCafé mit einem Dank an alle Gäste und einem Verweis auf Sokrates der jeweils sagte, "Es gibt noch offene Fragen, wir treffen uns wieder und diskutieren weiter."



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